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El Misti

Grenzerfahrung ist das Wort, welches das vergangene Wochenende vom 18. / 19. November am besten beschreibt. Nach langem hin und her zwischen den beiden Bergen Chachani und el Misti haben wir uns für den technisch anspruchsvolleren, jedoch 200 Höhenmeter tiefergelegenen El Misti (5822 Meter) entschieden. Der Chachani ist zwar mit seinen 6035 Metern über Meer einer der einfachsten 6000er, die man machen kann, jedoch missfiel Samira und mir die Vorstellung bis auf 5000 Meter hoch gefahren zu werden und dann lediglich die letzten paar hundert Meter zu machen. Dank einem glücklichen Zufall konnten wir mit dem Professor einer amerikanischen Auslandschule mitgehen (an dieser Stelle ein grosses Dankeschön an Roland!). Zum Zeitpunkt der Zusage hatten wir noch keine Ahnung auf was wir uns da einliessen…

Alles begann am Samstag 18.11.2017, als wir um 8:00 Uhr beim Tourenanbieter eintrafen und bald von dort vollbepackt in einem Jeep in Richtung Ausgangspunkt des Trecks fuhren. Die ersten zwei Stunden verliefen ganz normal in peruanischer Fahrmanier bis zu einem Feldweg, von dem man den zu besteigenden Vulkan bereits sehen konnte. Der Feldweg war das erste Abenteuer. Wir sahen unzählige Vicunas, welche sehr bekannt sind für ihr Brustfell (ein paar Handschuhe aus dieser Wolle kosten gerne einmal 1000 CHF) und verwandt mit den Lamas sind. Plötzlich hielten wir an und in ca. 4000 Metern Höhe zahlte sich der Fahrstil des Fahrers also endlich aus. Es musste ca. eine halbe Stunde das Rad gewechselt werden. Danach war es nicht mehr weit bis zum Startpunkt. Von dort aus buckelten wir top motiviert unsere ca. 15 Kilo schweren Rucksäcke für 3 Stunden lang zum Basiscamp hoch. Es war die ganze Zeit über sehr heiss und windstill. Doch sobald wir über die Kuppe zum Basislager ankamen, brauste ein mächtiger Wind und es wurde schlagartig kalt. Wir stellten schnell unsere Zelte auf und verkrochen uns alsbald darin um etwas Schutz vor der Biese zu haben. Nach und nach wurden wir mit Nachtessen versorgt und gingen um ca. 18:30 Uhr in unsere Schlafsäcke. Während der Nacht merkte man die gut 4800 Höhenmeter bereits etwas durch sanfte Kopfschmerzen. Ich durfte immer mal wieder ins Land der Träume abtauchen, während Samira gefühlt keine Sekunde geschlafen hat. Da unser Guide Caston uns sagte, dass man um Mitternacht aufstehen müsse, stellte ich uns sehr schweizerisch den Wecker um zwei vor 00:00 Uhr. Nachdem wir uns kurz schlapp gelacht haben ab unserer Bünzligkeit und nochmals bis um halb 1 dösten, gab es etwas Brot mit Käse mit warmem Cocatee. Der Aufstieg begann kalt, doch die Kleider hielten dicht und wir liefen mit unseren Stirnlampen sehr motiviert los. Nach zwei Stunden erreichten wir ca. 5100 Höhenmeter, wo sich auch die dünne Luft bemerkbar machte. Unser Ziel lag jedoch noch in weiter Ferne und so liefen wir immer im gleichen Rhythmus weiter – ca. 40 Minuten laufen, dann fünf Minuten Pause. Etwas nach der Hälfte fing die Höhenkrankheit an zu zeigen, was sie wirklich mit einem machen kann. Die Sonne ist unterdessen am aufgehen, der Himmel schön lila, doch weder Samira noch ich wussten in diesem Moment die Natur zu schätzen. Während mir die Höhe nach und nach zu schaffen machte, spürte Samira es langsam aber sicher in ihren Beinen. Es war ziemlich genau 5:15 Uhr in der Früh, wo wir zum ersten Mal ans Aufgeben dachten. Doch weder Samiras noch mein Kopf liessen dies zu und so wurde weiter ein Fuss vor den anderen gesetzt. Es ist schwer zu beschreiben, wie langsam man auf dieser Höhe «wandert». Wenn man dies von Weitem betrachten würde, gliche das Bild einer Zeitlupenaufnahme. Man schaut nur noch vor sich auf den Boden und hält sich an den Fersen des Vordermanns/frau fest. Der Magen spielte bei mir total verrückt und ich musste mich mehrmals zusammenreissen um mich nicht zu übergeben, während sich mein Bild nur noch drehte. Es ist ein Delirium in dem man sich befindet und will alles, nur nicht weiterlaufen. Weder Samira, noch ich werden die letzten 50 Meter jemals vergessen. Wie aus weiter Ferne höre ich noch wie Gaston sagte: «only five more minutes!», um uns beide zum Weiterlaufen zu ermutigen. Alles geschieht wie in Trance. Man kommt oben an, nimmt sich in die Arme, schüttelt Hände, setzt sich hin und versucht das aufzunehmen, was man sieht. Doch der Kopf pocht weiterhin, das Hirn ist irgendwo zwischen Himmel und Berg. Als ich die geschossenen Bilder auf dem PC sah, konnte ich mich noch knapp an die Hälfte erinnern, noch schlimmer ist es mit den verwackelten Handyvideos. Wir waren eine ganze Stunde auf dem Vulkan und ich kann mich nur noch an das tiefgründige Gespräch über die Ungerechtigkeit der Währungsungleichheit mit Professor Roland erinnern. Doch wie diese Stunde sonst rumging, wissen wir beide nicht mehr. Der Abstieg erfolgte unspektakulär. Man rutscht den sandigen Hang herunter und ist innert zwei Stunden wieder beim Basiscamp angekommen. Nach kurzem Ausruhen, wurden die Zelte zusammengepackt und es ging zurück zum Auto. Sobald man wieder unter 5000 Metern ist, beginnt sich der Körper wieder deutlich zu erholen. Nach erneut holpriger Fahrt zurück nach Arequipa fanden Samira und ich einen bitter nötigen 10 Stundenschlaf und sind heute (Montag 20.11.2017) wieder ziemlich fit in die neue und letzte Woche in Arequipa gestartet.

Der obige Abschnitt kurz zusammengefasst: Schweizerischer hätte man eine solche Besteigung nicht angehen können. Mit dem typischen «wir können das ja sowieso» haben wir alle Tripadvisor-Kommentare gekonnt ignoriert und haben uns weder um die Höhe noch um die nötige Ausdauer geschärt. Dies hat dazu geführt, dass wir beide diese Besteigung als härteste Leistung in unserem noch ziemlich kurzen Leben beschreiben. Noch nie zuvor kamen wir so an unsere Grenzen wie auf dem El Misti und doch sind wir sehr glücklich und dankbar, diese Erfahrung gemacht zu haben – jeder auf seine Weise.

Nach dem Ende dieser Woche geht es weiter in den Colca Canyon von wo der nächste Bericht sein wird.

Vielen Dank fürs Lesen! Wir hoffen, dass die folgenden Bilder euch etwas entschädigen. 😉

As always; the English part is below the pictures.

 

Borderline experience is the word that best describes the weekend of 18th / 19th November. After much back and forth between the two mountains Chachani and el Misti, we have decided for the more technically demanding, but 200 meters lower el Misti (5822 meter). Although the Chachani, with its 6035 meters above sea level, is one of the simplest 6000s that can be done, Samira and I did not like the idea of ​​being driven up to 5000 meters and only making the last few hundred meters. Thanks to a lucky coincidence we were able to go with the professor of an American foreign school (at this point a big thank you to Roland!). At the time of the commitment, we had no idea what we were involved in …

It all started on Saturday, 18.11.2017, when we arrived at the tour operator at 8:00 am and soon drove from there fully packed in a jeep towards the starting point of the trek. The first two hours ran in a normal Peruvian driving style to a dirt road from which you could already see the volcano to be climbed. The dirt road was the first adventure. We saw countless Vicunas, which are well-known for their pectoral skin (a few gloves from this wool like to cost 1000 CHF) and are related to the llamas. Suddenly we stopped and in about 4000 meters height, the driver’s driving style finally paid off. It had to be changed for about half an hour the rear wheel. After that it was not far to the starting point. From there we carried highly motivated our approximately 15-pound backpacks for 3 hours up to the base camp. It was very hot and windless all the time. But as soon as we reached the base camp over the top, a mighty wind was blowing and it was suddenly cold. We quickly set up our tents and hid ourselves immediately in order to have some protection from the tuck. Gradually, we were provided with dinner and went at about 18:30 clock in our sleeping bags. During the night you noticed the good 4800 vertical meters already a bit by a gentle headache. I was always allowed to dive into the land of dreams, while Samira did not sleep for a second. As our guide Caston told us to get up at midnight, I set the alarm clock in Switzerland at two o’clock before midnight. After we had a quick laugh about our Bünzligkeit and doze again until half past one, there was some bread with cheese with warm Cocatee. The climb started cold, but the clothes were tight and we started very motivated with our headlamps. After two hours we reached about 5100 vertical meters, where the thin air was noticeable. However, our goal was still a long way off and so we kept hiking at the same pace – about 40 minutes hiking, then a five-minute break. About halfway through the altitude sickness began to show what she really can do with one. Meanwhile, the sun is rising, the sky is beautiful purple, but neither Samira nor I appreciated nature at that moment. As I got more and more tired, Samira felt it slowly but surely in her legs. It was pretty much 5:15 in the morning, where we thought about giving up for the first time. But neither Samiras nor my head allowed this and so one foot was placed in front of the other. It is difficult to describe how slowly you „walk“ at this altitude. If you looked at this from a distance, the picture resembled a slow motion picture. One only looks at the ground in front of him and holds on to the heels of the front man / woman. The stomach was totally crazy with me and I had to pull myself together several times so as not to vomit while my picture was just spinning. It is a delirium in which one is and wants everything, just not to continue. Neither Samira nor I will ever forget the last 50 meters. As if from afar, I hear Gaston saying, „only five more minutes!“ to encourage both of us to keep going. Everything happens like in a trance. You arrive at the top, hug each other, shake hands, sit down and try to pick up what you see. But the head keeps pounding, the brain is somewhere between the sky and the mountain. When I saw the pictures shot on the PC, I could only remember half of it, even worse with the shaky mobile phone videos. We spent an hour on the volcano and all I can remember is the profound conversation about the unfairness of currency inequality with Professor Roland. But as this hour went by, we both do not know anymore. The descent was unspectacular. You slip down the sandy slope and arrived back at the base camp within 2 hours. After a short rest, the tents were packed and it went back to the car. As soon as you are under 5000 meters again, the body starts to recover significantly. After another bumpy ride back to Arequipa, Samira and I found a desperately needed 10-hour sleep, and on Monday 20.11.2017 we were back in shape for the new and final week in Arequipa.

The above section briefly summarized: It would not have been possible, to do to this ascent in a more Swiss-style. With the typical „we can do it anyway“, we skilfully ignored all Tripadvisor comments and did not care about height or stamina. As a result, we both describe this climb as the hardest performance in our relatively short life so far. Never before have we reached our limits as on El Misti and yet we are very happy and grateful to have had this experience – each in their own way.

After the end of this week we will continue to the Colca Canyon from where the next report will be.

Thank you for reading! We hope the following pictures compensate you. 😉